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Der 6-Punkte-Plan für ein zukunftsfestes Bayern

Der 6-Punkte-Plan für ein zukunftsfestes Bayern


1 Noch deutlicheres Problembewusstsein schaffen


Im ersten Schritt zu einer transformativen Entwicklung des Landes werden die Herausforderungen auf Basis aktueller wissenschaftlicher Analysen klar benannt und zur Grundlage der Strategieentwicklung gemacht.


2 Koordination durch gestaltende Landesentwicklung


Die Potenziale der Landesentwicklungspolitik werden erkannt, deren Handlungsfähigkeit ausgebaut und ihr wieder eine koordinierende Rolle zugewiesen.


3 Positive Vision einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Entwicklung Bayerns


Für die zukunftsfeste Entwicklung des Landes wird eine positive Vision entwickelt, wie ein modernes Zusammenleben in Gemeinschaft und Wohlstand auf der Basis eines nachhaltigen Technologieeinsatzes möglich sein kann.


4 Sektorale Strategien systemisch vernetzen


Die Landesentwicklungspolitik wird institutionell, personell und finanziell befähigt, die integrative und fachübergreifende Entwicklung einer Strategie zur Transformation des Landes mitzugestalten.


5 Partizipation und Gesellschaftsvertrag


Aufgrund der aufgezeigten Herausforderungen einer zukunftsfesten Entwicklung des Landes wird ein tiefgreifender systemischer Veränderungsprozess in allen gesellschaftlichen Bereichen angestoßen und organisiert.


6 Erste Schritte zur Transformationsstrategie: LEP 2021


Das LEP 2021 wird die Herausforderungen der Zeit adäquat aufgreifen und in einer grundlegenden Neukonzeption lösen.


Die Novellierung des bayerischen Klimaschutzgesetzes ist ein erster Schritt, um die gestaltende Rolle der Landesentwicklungspolitik für eine Transformationsstrategie zu stärken.


Herausgeber/V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Manfred Miosga, Bayreuther Straße 26a, 95503 Hummeltal
München, 16. Juni 2021


Zukunftsfestes Bayern – Die gestaltende Rolle der Landesentwicklungspolitik für eine Transformationsstrategie in Bayern


In den nächsten Monaten steht eine umfassende Fortschreibung des Landesentwicklungsprogrammes (LEP) an. Als wesentliche Themenfelder sind benannt: Klimawandel, Digitalisierung, gleichwertige Lebensverhältnisse und räumliche Gerechtigkeit.


Es geht aber um mehr:


Nicht die additive Regelung einzelner Handlungsfelder ist gefragt, sondern ein integriertes, alle Politikbereiche umfassendes räumliches Konzept für ein zukunftsfähiges Bayern.
Das LEP muss wieder zum zentralen Gestaltungsinstrument für eine klimagerechte und gleichwertige Entwicklung in Stadt und Land werden. Das LEP 2021 muss sich daran messen lassen, die Herausforderungen der Zeit adäquat aufzugreifen. Es muss wieder die Kraft entfalten, Fachpolitiken zu koordinieren und zu einem Entwicklungsprogramm zusammenzuführen, das konsistente Lösungspfade aufzeigt!
Darüber hinaus erfordert der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 zur Klimaschutzgesetzgebung des Bundes eine Verschärfung der Klimaschutzgesetze im Bund und auch in den Ländern.
Wir fordern eine verbindliche Raumordnungsklausel in der Novellierung des Bayerischen Klimaschutzgesetzes! Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts unterstützt unser Anliegen, mit einer umfassenden Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms einen Beitrag zur Herstellung von räumlicher Gerechtigkeit unter besonderer Betonung der Generationengerechtigkeit zu leisten, wie es bereits von der Enquete-Kommission zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in ihrem Abschlussbericht gefordert wurde.


6-Punkte für ein zukunftsfestes Bayern


1 Noch deutlicheres Problembewusstsein schaffen


Im ersten Schritt zu einer transformativen Entwicklung des Landes werden die Herausforderungen auf Basis
aktueller wissenschaftlicher Analysen klar benannt und zur Grundlage der Strategieentwicklung gemacht.
Die tatsächlichen Herausforderungen der Klima-, Ressourcen- und Biodiversitätskrise werden nach wie vor
deutlich unterschätzt. Aktuelle wissenschaftliche Studien wie bspw. das Umweltgutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung SRU (2020), die Hauptgutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen WBGU (2011 zur „Großen Transformation“ und 2020 zur „Landwende im Anthropozän“), die Evaluierung der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes u.v.a.m. belegen eine massive Ambitions- und Umsetzungslücke in den bisherigen politischen Strategien zur Bekämpfung dieser existenziellen Krisen und zur Eindämmung ihrer Folgen. Werden die aktuellen Zielsetzungen nicht deutlich verschärft und die Anstrengungen nicht massiv ausgebaut, drohen irreversible Schäden für die menschliche Gesundheit, die Integrität der Biosphäre sowie für Wirtschaft, Wohlstand und Frieden. Die Folge eines „Weiter-so“ wäre eine gesellschaftliche Transformation „by desaster“ – also die aufwändige und kostenintensive Reaktion auf immer
verheerendere Krisenereignisse. Die Alternative ist die Transformation „by design“! Diese erfordert ein massives Umsteuern auf allen politischen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Bereichen. Den Analysen des SRU (2020) folgend bedeutet dies, bspw. im Bereich der Klimapolitik, den Restbudget-Ansatz zur Grundlage zu machen und zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens eine lineare Reduktion der Treibhausgasemissionen bis zur kompletten Dekarbonisierung spätestens bis 2035 als verbindliche Zielsetzung der Landesentwicklung fest zu schreiben und zusätzlich Strategien für den Erhalt und die Ausweitung von natürlichen Treibhausgassenken zu entwickeln. Der Freistaat Bayern als ein wirtschaftlich starkes, technologisch hochentwickeltes und wohlhabendes
Bundesland hat dabei die besondere Verantwortung, regional, national und international eine Vorbildfunktion zu erfüllen! Seine exzellente Wissenschafts- und Forschungslandschaft bietet dafür eine gute Grundlage. Alle im weitesten Sinne Beteiligten – von der öffentlichen Hand über Berufsverbände und NGOs bis zur Wissenschaft – sollten übergreifend in einem vom Freistaat initiierten und dotierten „Transformationslabor Bayern“ kooperieren.
Ein solches „Transformationslabor Bayern“ ist die logische Weiterführung, Konkretisierung und Operationalisierung des Vorschlags, der „Initiative für ein zukunftsfestes Bayern“, die sich im Juni 2020 mit einem „Offenen Appell“ an den Ministerpräsidenten, den Wirtschafts- und Landesentwicklungsminister und die Landtagspräsidentin gewandt haben, einen „Runden Tisch für eine transformative Entwicklung des Landes“ einzurichten.


2 Koordination durch gestaltende Landesentwicklung


Die Potenziale der Landesentwicklungspolitik werden erkannt, deren Handlungsfähigkeit ausgebaut und ihr
wieder eine koordinierende Rolle zugewiesen. Die Erarbeitung einer integrierten Strategie für eine zukunftsfeste Entwicklung des Landes erfordert eine umfassende Koordination aller Ressortpolitiken und Handlungsebenen (Kommune – Landkreis – Planungsregion – (Regierungs-)Bezirk – Land). Eine solche Strategie ist wiederum sehr stark raumwirksam: Formen der Landnutzung müssen sich in erheblichem Umfang ändern, räumliche Strukturen nachhaltig umgestaltet, Wertschöpfungs- und Stoffkreisläufe stärker regional gestaltet werden. Dabei entstehen
Raumnutzungskonflikte, die bearbeitet werden müssen. Dies prädestiniert die Landesentwicklungspolitik, eine wesentliche Rolle bei der sozial und ökologisch transformativen Entwicklung des Landes einzunehmen. Sie agiert überfachlich, steuert Raumnutzungsansprüche, moderiert Nutzungskonflikte und koordiniert Fachpolitiken und politische Ebenen. Sie ist etabliert und verfügt grundsätzlich über ein umfangreiches und wirksames Instrumentarium auf das zurückgegriffen werden kann, aber auch wiederbelebt und ausgebaut werden muss.
Die Sicherung freier Flächen und deren ökologische Aufwertung ist ein zentraler Baustein einer Transformation „by design“. Die konsequente Umsetzung des 5 ha-Ziels und damit mindestens eine Halbierung der Flächenneuinanspruchnahme für Siedlung und Verkehr bis 2030 zu erreichen, ist dazu ein wesentlicher Baustein, um perspektivisch eine Flächenkreislaufwirtschaft ohne Neuverbrauch von Boden zu erreichen. Der dazu in die Novelle des Bayerischen Landesplanungsgesetzes aufgenommene Grundsatz der Raumordnung reicht dazu nicht aus. Es müssen vielmehr für alle Planungsebenen verbindliche und transparent auf jede Kommune heruntergebrochene Ziele gesetzt werden.


3 Positive Vision einer zukunftsfesten und nachhaltigen Entwicklung Bayerns


Für die zukunftsfeste Entwicklung des Landes wird eine positive Vision entwickelt, wie ein modernes Zusammenleben
in Gemeinschaft und Wohlstand auf der Basis eines nachhaltigen Technologieeinsatzes möglich sein kann. Aufgabe einer transformativen Entwicklung des Landes ist es, den Prozess einer Leitbild- und Visionsentwicklung zeitnah zu starten und als dialogischen und partizipativen Prozess zu gestalten. Die einschneidenden systemischen Veränderungsprozesse, die mit einer zukunftsfesten Entwicklung des Landes verbunden sind, werfen viele Fragen auf und verursachen auch Unsicherheiten. Ein wesentlicher Baustein ist daher die Entwicklung einer Zukunftsvision und räumlicher Zukunftsbilder, die aufzeigen, wie ein solches Leben in einem zukunftsfesten Bayern aussehen kann, unter Einhaltung der Rahmenbedingungen, die die Vermeidung und Bekämpfung der genannten Krisen erforderlich machen: dekarbonisiert, klimaneutral, in vielfältigen und artenreichen Kulturlandschaften, in weitgehend regionalen
Stoff- und Wirtschaftskreislaufökonomien, in Gesundheit und in sozialer Sicherheit. Dabei kommt Modellprojekten und Pionieren des Wandels, die heute schon aufzeigen, wie eine solche nachhaltige und zukunftsfeste Lebensweise funktionieren kann eine wesentliche Bedeutung zu.
Ein „Runder Tisch“ – so wie ihn der Appel für ein zukunftsfestes Bayern vorgeschlagen hat, kann dazu wesentliche Impulse geben. Er bietet eine Plattform, die im Zusammenspiel von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft wesentliche Grundlagen für die Visions- und Strategieentwicklung in der Landesentwicklung erarbeiten und den Prozess begleiten kann. Eine transformative Landesentwicklung erhält die Aufgabe, inhaltliche Grundlagen zu liefern und diese Vision in eine räumlich integrative und sektor- und ebenenübergreifend abgestimmte Leitbildentwicklung zu übersetzen und zur Grundlage für ein abgestimmtes Handeln zu machen. In Transformationslaboren werden räumlich und inhaltlich konkrete Schritte erprobt und umgesetzt.


4 Sektorale Strategien systemisch vernetzen


Die Landesentwicklungspolitik wird institutionell, personell und finanziell befähigt, die integrative und
fachübergreifende Entwicklung einer Strategie zur Transformation des Landes mitzugestalten. Die Herausforderungen der angesprochenen multiplen Krisen erfordern tiefgreifende und komplexe Veränderungsprozesse, die ambitionierte Handlungsprogramme verlangen. Diese Handlungsprogramme müssen zum einen spezifisch sektoral sein, aber zugleich vernetzt und integriert, das Ganze im Blick behalten. Neben der Transformation sind je nach Sektor Suffizienz, Zirkularität und eine Wachstumsunabhängigkeit wichtige Bestandteile dieser Handlungsprogramme. Dazu einige Beispiele:

  • Im Verkehrssektor bedeutet eine Dekarbonisierung bis 2035/37 und eine Reduzierung des Ressourcenbedarfs das Auslaufenlassen des fossilen Verbrennungsmotors als Antriebstechnologie in den nächsten Jahren sowie eine rasche Abkehr von der Dominanz der PKW basierten Mobilität. Dazu sind neben den notwendigen kulturellen Veränderungsprozessen (Weg vom PKW-Eigentum hin zu Sharing-Modellen) umfassende industriepolitische Maßnahmen (Umstrukturierung der Automobilindustrie zur Mobilitätsdienstleistungswirtschaft) und der Umbau der Infrastrukturen erforderlich (Stärkung des Umweltverbundes, Ausbau Schiene und Fahrradwege…), flankiert von einer Verringerung der Verkehrsleistung. Zudem müssen Siedlungs- und Infrastrukturen wieder wirksam so geplant und gestaltet werden, dass sie tatsächlich zu einer deutlichen Reduzierung von Verkehr beitragen. Die Chancen der Digitalisierung müssen so genutzt werden, dass die räumliche Beziehung zwischen Wohnen und Arbeiten weniger Mobilität erforderlich macht und somit ländlichere Räume als Wohnort attraktiver werden. Somit können städtische Wohnungsmärkte entlastet werden und ländliche Gemeinden an Lebendigkeit und Prosperität gewinnen.
  • Ähnliches gilt für die Land- und Forstwirtschaft: Eine dekarbonisierte und ressourcenschonende Nahrungsmittelproduktion bedeutet eine Lebensmittelproduktion für das regionale Umfeld (keine Produktion für den Weltmarkt). Damit verbunden ist eine weitgehende Abkehr vom Import von Lebensmitteln, die hier erzeugt werden können, sowie vom Import von Futtermitteln wie z.B. Soja aus Übersee, der aus Gründen der Ernährungsgerechtigkeit mit den Ländern des Südens nicht mehr in Frage kommt. Außerdem braucht es einen Umbau der Lebensmittelproduktion hin zu einer schonenden Erzeugung von Fleisch und Milch überwiegend nur von bayerischen Wiesen und Weiden sowie hin zu einer stärker pflanzenbasierten Ernährungsweise. Zudem stehen Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel weniger zur Verfügung, wenn fossile Energieträger nicht mehr genutzt werden können. Eine zukunftsfähige Entwicklung des Landes ist auch hier mit einem kulturellen Wandel (Reduzierung des dominanten Fleischverzehr, hin zu einer ausgewogenen und stärker pflanzenbasierten Ernährung) verbunden und führt zu strukturellen Veränderungen von der örtlichen bis zur globalen Landnutzung (Umstellung von der Futtermittelproduktion hin zur Produktion direkt nutzbarer pflanzlicher Nahrungsmittel). Neben den industrie- und landwirtschaftspolitischen Aspekten, gilt es vor allem unter dem Gesichtspunkt der Speicherung von CO2 in Boden und Wäldern sowie hinsichtlich einer Steigerung des Artenreichtums in der Kulturlandschaft eine Veränderung der räumlichen Muster in der Landnutzung zu erwirken (reichhaltige Strukturierung der Landschaften mit Hecken, Feuchtgebieten, Streuobstwiesen etc., Aufforstung, CO2-bindende Landbewirtschaftung).
  • Im Bausektor bedeutet Dekarbonisierung eine Konzentration auf die Entwicklung im Bestand und bei Neubauten einen weitgehenden Verzicht auf Zement (und tlw. auch auf Ziegel) als Baustoff. Dies führt zu einem Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen (Holz, Stroh u.v.a.m…) in der Bauwirtschaft. Damit gehen Herausforderungen für die Holzwirtschaft und ein massiver Aufforstungsbedarf einher. Die intelligente (Um-)Nutzung und Umgestaltung des Gebäudebestandes wird an Bedeutung gewinnen, um einen neuen Ressourceneinsatz zu vermeiden.
  • Nicht zuletzt bringt eine Dekarbonisierung des Landes einen steigenden sektorübergreifenden Bedarf zur Bereitstellung von Energien aus erneuerbaren Quellen mit sich. Der rasch wachsende Bedarf an zusätzlichen Anlagen zur Umwandlung erneuerbarer Energien erfordern eine räumliche Planung und Koordination und die Bewältigung innerökologischer Konflikte (Flächenverbrauch, Eingriff in Gewässerregime, Windkraft). Integrative Konzepte zur Flächennutzung werden immer notwendiger. Dabei muss der Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen für die Energieproduktion mittelfristig reduziert werden. „Biomasse sollte vor der energetischen Nutzung zunächst stofflich – also zur Herstellung von Produkten – genutzt werden. Anstelle des heute vorherrschenden Anbaus von Biomasse zur direkten Umwandlung in Bioenergie sollte daher künftig eine Nutzungskaskade etabliert werden, d.h. erst nach einer Mehrfachnutzung werden die Abfall- und Reststoffe für die Energiegewinnung eingesetzt.“ ( https://www.umweltbundesamt.de/nachhaltige-nutzungbiotischer-rohstoffe). Zugleich muss der seit Jahrzehnten trotz Effizienzgewinnen stabile Endenergieverbrauch verringert werden. Diese noch unvollständige Aufzählung zeigt in diesen Feldern den Bedarf an einer räumlich und sektoral integrierten Steuerung und Koordination der Transformation zu einer zukunftsgerechten Entwicklung des Landes. Die Landesentwicklungspolitik kann mit ihren Instrumenten und Verfahren (LEP, Regionalpläne, Raumordnungsverfahren, Landesplanerische Verträge, Teilraumgutachten etc.) dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Das Prinzip der Suffizienz und Zirkularität sollte dabei leitend sein und eine vorrangige Wachstumsorientierung ablösen. Hierzu sollten auch entsprechende Ausbildungskapazitäten für räumlich planende Berufe geschaffen werden.

5 Partizipation und Gesellschaftsvertrag


Aufgrund der aufgezeigten Herausforderungen einer zukunftsfesten Entwicklung des Landes wird ein
tiefgreifender systemischer Veränderungsprozess in allen gesellschaftlichen Bereichen angestoßen und organisiert.
Dazu dient ein offener Prozess, der die Bürger*innen in vielfältiger Weise zur Teilhabe an Transformationsprozessen einlädt. Dies erfordert eine Einbindung aller gesellschaftlich relevanten Gruppen und eine intensive wissenschaftliche Begleitung (s.o. „Transformationslabor Bayern“). Transformation muss als Lernprozess angelegt sein und auch gut vorbereitete und begleitete Experimente ermöglichen – verbunden mit der Herkulesaufgabe, diese in nur wenigen Jahren zu gestalten. Daher empfiehlt es sich, ein breites Bündnis zu organisieren und gemeinsam die Zielsetzungen der Transformation zur Zukunftsfestigkeit in einem „Memorandum of Understanding“ („Gesellschaftsvertrag“) festzulegen und gemeinschaftliches Handeln zu vereinbaren. Der „Runde Tisch für ein zukunftsfestes Bayern“ (s. „Offener Appell“ der Initiative) kann dafür ein wichtiger Baustein sein. Zur Konkretisierung und Begleitung könnten die von der Initiative „Wege zu einem besseren LEP“ vorgeschlagenen Instrumente Ideenwettbewerb, Bürgergutachten und Regionale Zukunftswerkstätten dienen.
Um Ziele und Wege der Transformation lokal zu verankern und raumspezifisch zu differenzieren, kommt der regionalen Handlungsebene eine wachsende Bedeutung zu. Über die Regionalplanung hinaus sollte sie verstärkt auch beratend (z.B. im Sinne der früheren Ortsplanungsstellen) und koordinierend tätig sein. Auch bei der Umsetzung der o.g. integrierten Handlungsprogramme und bei Monitoring und Evaluierung der Raumentwicklung hat die regionale Ebene eine wichtige Funktion. Sie sollte dazu politisch, organisatorisch und personell gestärkt und zu Regionalagenturen weiterentwickelt werden.


6 Erste Schritte zur Transformationsstrategie LEP 2021


Das LEP 2021 wird die Herausforderungen der Zeit adäquat aufgreifen und in einer grundlegenden Neukonzeption lösen.
u.a. durch:

  • Einbindung der Ziele und Grundsätze in ein integriertes Raumkonzept/Raumbild, das (Kultur)Landschaft und die Wiederherstellung von Biodiversität als Basis von ökologischer und ökonomischer Zukunftsfähigkeit und Lebensqualität in den Mittelpunkt stellt.
  • Benennung von messbaren Zielen zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen mit der Perspektive der Nullemissionen bis Mitte der 2030er Jahre und damit klare Aussagen zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens.
  • Benennung von Ausbauzielen der Nutzung Erneuerbarer Energien und eine räumliche Konzeption zur Umsetzung.
  • Raumbezogene Strategien zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs und Regionalisierung wirtschaftlicher Wertschöpfung.
  • Differenzierung der Ziele und Grundsätze für die jeweils relevanten Handlungsebenen, z. B. Herunterbrechen des 5ha-Ziels zum Flächensparen auf Planungsregionen und Gemeinden.
  • Ergänzung des LEP um integrierte Handlungsprogramme für Schlüssel-Infrastrukturen der Daseinsvorsorge (Klima(-anpassung), Energie, Mobilität, Gesundheit, Kultur und Bildung) und den dafür benötigten Grund und Boden (landesweiter bzw. regionale Bodenfonds).
  • Schlüssige raumbezogene Strategien zur Sicherung und Wiederherstellung der Biodiversität durch eine deutliche Ausweitung der Flächen für den Naturschutz, naturnahe Nutzungen und naturbasierte Lösungen.
  • Schlüssige Strategien zur Herstellung räumlicher Gerechtigkeit und damit zur Sicherung der Daseinsvorsorge und Chancengleichheit in allen Landesteilen.
  • Organisatorische Strategien und Impulse zum Ausbau partizipativer Gestaltungsprozesse (etwa auf der regionalen Ebene).

Diese Aufzählung ist weder abschließend noch vollständig.
Das LEP wird verbindlicher, spezifischer, partizipativer, reaktionsfähiger und gleichzeitig lösungsorientierter sein.
Ausnahmen vom Anbindegebot müssen deutlich reduziert werden. Die Räume mit besonderem Handlungsbedarf (RmbH) sollten nach den tatsächlichen Handlungsbedarfen differenziert werden, so z.B. Natur- und Landschaftsschutz als Handlungsbedarf in Regionen mit stark monostrukturierter Landwirtschaft, Digitalisierung in Regionen mit ungenügender Abdeckung mit digitaler Infrastruktur, Energieerzeugung als Handlungsbedarf in Regionen mit bisher geringem Anteil eigener, nachhaltiger Energieerzeugung. Wohnen als Handlungsbedarf insbesondere in Regionen mit großen Wohnraumbedarf, wie den Metropolregionen Nürnberg und München u.a.m. So könnte die Landesplanung wieder zu einem zentralen Instrument der räumlichen Entwicklung in Bayern werden.
Nicht zuletzt müssen auch Kommunen mit Instrumenten und Kapazitäten ausgestattet werden die für sie wachsenden Aufgaben bewältigen zu können. Über eine Stärkung der Regionalplanung kann die notwendige Konkretisierung einer transformativen Landesentwicklung gelingen und die von der Enquete-Kommission eingeforderte räumliche Gerechtigkeit erreicht werden. Über den Ausbau der vielfältigen Instrumente zur Förderung interkommunaler Kooperationen können Anreize für die Kommunen geschaffen werden, aktiv an der Umsetzung mitzuwirken.
Insgesamt ist dieser 6-Punkte-Plan – ebenso wie der „Offene Appell“ aus dem Juni 2020 – sowohl als eine Aufforderung als auch als ein Angebot zu verstehen.
Die unterzeichnenden Institutionen des „Offenen Appells“ haben ihre eindringlichen Forderungen mit einem Angebot verbunden, an dem notwendigen Transformationsprozess und den damit verbundenen Lernprozessen nach Kräften mitzuwirken. Ebenso ist dieser 6-Punkte-Plan als eine Impuls und ein Angebot zu verstehen, gemeinsam an den transformativen Möglichkeiten der Landesentwicklung zu arbeiten. Die Novellierung des bayerischen Klimaschutzgesetzes ist ein erster Schritt, um die gestaltende Rolle der Landesentwicklungspolitik für eine
Transformationsstrategie zu stärken: Wir fordern daher die Aufnahme einer verbindlichen Raumordnungsklausel im Rahmen der aktuellen Novellierung des Gesetzes mit folgenden Punkten:
(1) Die räumlichen Voraussetzungen für die Erreichung der gesetzlich festgelegten CO2-Minderungsziele
sind sektorübergreifend durch Ziele im Landesentwicklungsprogramm zu sichern.
(2) Dazu sind insbesondere raumbezogene Ziele festzulegen zu den Bereichen

  • Reduzierung der Flächeninanspruchnahme
  • Schutz wertvoller und CO2-speichernder Böden,
  • Erzeugung erneuerbarer Energien,
  • nachhaltige und klimaneutrale Land- und Forstwirtschaft,
  • nachhaltige und klimaneutrale Mobilität,
  • nachhaltiges und klimaneutrales Bauen sowie
  • Schaffung von CO2-Senken durch Aufforstungen und Wiedervernässung von Mooren.

(3) Teilräumliche Konkretisierungen erfolgen durch Ziele in den Regionalplänen.
(4) Im LEP und in den Regionalplänen sollen als neue Kategorie klimaschutzbezogene Vorbehalts- oder Vorranggebiete zur Sicherung der CO2-Minderungssziele festgelegt werden. Soweit Vorrang- bzw. Vorbehaltsgebiete für die Erzeugung von Windenergie festgelegt werden, gilt hier die 10h-Abstandsregel nicht.
(5) Zur Begleitung der Aufstellung und Umsetzung entsprechender klimaschutzbezogener LEP- und Regionalplanfortschreibungen bzw. Neuaufstellungen wird ein "Runder Tisch zukunftsfestes Bayern" mit Vertreter*innen der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Kultur und der Zivilgesellschaft eingerichtet.

ANHANG
Wesentliche Ziele und Handlungsfelder für ein transformatives LEP wurden bereits im „Offenen Appell für ein zukunftsfestes Bayern “ (Juni 2020) benannt:
„Ziel ist es, in Bayern durch eine transformative Landes-Entwicklung eine resiliente, krisenfeste Lebens- und Wirtschaftsweise aufzubauen, die
- angepasste Landnutzungsformen und nachhaltigere Formen der Land- und Forstwirtschaft entwickelt, die eine hochwertige und gesunde Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung im Lande sicherstellt, Ressourcen schont, die Artenvielfalt sichert und wieder ausbaut, die Umweltgüter wirksam schützt, in ihrer Qualität wieder verbessert (Boden, Wasser, Luft) und die an den Klimawandel angepasst ist (…);
- sorgsamer und effizienter mit Flächen umgeht und die Neuinanspruchnahme von freien Flächen drastisch reduziert;
- in der Stadtentwicklung auf durchmischte städtebauliche Strukturen setzt, die Wohnen, Arbeiten und Versorgung mit kurzen Wegen zueinander bringen, der Umnutzung bestehender Bausubstanz vor dem Neubau den Vorrang einräumt und im Neubau auf Vielfalt, Flexibilität, ökologische und recyclingfähige Materialien setzt;
- Mobilität in allen Landesteilen auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umlenkt, den öffentlichen Verkehr massiv ausbaut und durch gemeinsame Nutzungsformen den Ressourcenbedarf für individuelle Mobilität stark reduziert,
- sektorübergreifend die Nutzung fossiler Energien bis 2035 beendet und die Energieversorgung auf erneuerbare Energiequellen umstellt,
- Energiebedarfe in Industrie und privaten Haushalten deutlich reduziert und den beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energiequellen ermöglicht;
- globale Lieferketten möglichst verkürzt, fair und verantwortlich gestaltet und die Potenziale einer regionalen Wertschöpfung besser ausnutzt,
- wirtschaftliche Aktivitäten und Innovationen fördert, die Stoffkreisläufe ermöglichen und auf langfristige Nutzungsmöglichkeiten der Produkte abzielen,
- staatliche Maßnahmen, Investitionen und Ausgaben an einem nachhaltigen, ressourcenschonenden und klimaorientierten Handeln ausrichtet und CO2-Neutralität zur Bedingung für Investitionsentscheidungen macht,
- Chancen der Digitalisierung so nutzt, dass sie eine Transformation zu nachhaltigem Wirtschaften und Leben fördern und nicht neue Ressourcen- und Energiebedarfe produziert werden,
- nur noch naturverträgliche Formen des Tourismus in Bayern entwickelt,
- die Daseinsvorsorge in allen Landesteilen und für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich ausbaut und im Sinne einer räumlichen und sozialen Gerechtigkeit gleichwertige Lebens- und Arbeitsverhältnisse und Teilhabechancen in allen Landesteilen ermöglichen.
- eine dezentrale Gesundheitsvorsorge als systemrelevante Daseinsfunktion erkennt und für alle bereithält.“

Die Unterzeichnenden:


Univ.-Prof. Dr. Manfred Miosga, Bayerische Akademie Ländlicher Raum e.V.
Präsident; Prof. für Stadt- und Regionalentwicklung Universität Bayreuth


Univ.-Prof. TUM EoE Dr.- Ing. Holger Magel, Bayerische Akademie Ländlicher Raum e.V.
Ehrenpräsident


Univ.-Prof. Dipl.-Arch. ETH Mark Michaeli
Bayerische Akademie Ländlicher Raum e.V.
Vorsitzender des Wissenschaftlichen Kuratorium;
Lehrstuhl für Nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land, TU München


Univ.-Prof. Dr. Hans-Martin Zademach,
ARL - Akademie für Raumentwicklung in der Leibnitz Gemeinschaft
Leiter der Landesarbeitsgemeinschaft Bayern,
Professor für Wirtschaftsgeographie an der KU Eichstätt-Ingolstadt


Univ.-Prof. Dr. Andreas Klee,
ARL - Akademie für Raumentwicklung in der Leibnitz Gemeinschaft
Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft Bayern


Univ.-Prof. Dr. Christian Jacoby
ARL - Akademie für Raumentwicklung in der Leibnitz Gemeinschaft
Landesarbeitsgemeinschaft Bayern


Oliver Weidlich
ARL - Akademie für Raumentwicklung in der Leibnitz Gemeinschaft
Landesarbeitsgemeinschaft Bayern, Mitglied des Lenkungskreises
Karlheinz Beer Bayerische Architektenkammer
Vizepräsident


Dr. Jörg Heiler
Bayerische Architektenkammer
Mitglied des Vorstandes


Prof. Lydia Haack Bund Deutscher Architekten BDA
Landesvorsitzende Landesverband Bayern


Michael Leidl,
Bund Deutscher Architekten BDA
Vorstandsmitglied BDA Bayern Referat für Raum- und Flächenplanung,
Städtebau, Infrastruktur, Ländlicher Raum


Univ.-Prof. Dr.-Ing. Norbert Gebbeken
Bayerische Ingenieurekammer-Bau
Präsident (Zusage zum Redaktionsschluss noch offen)


Dr. Olaf Heinrich Bayerischer Landesverein für Heimatpflege e. V.
Vorsitzender


Andrea Gebhard,
DASL - Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung e.V.
Vorsitzende der Landesgruppe Bayern


Stephan Reiß-Schmidt, DASL - Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung e.V.
Mitglied des Landesplanungsbeirats


Marco Hölzel
SRL Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung e.V.
Regionalgruppe Bayern


Dr.-Ing. Andrè Müller Verband beratender Ingenieure(vbi)
Vorsitzender


Prof. Dr. Swantje Duthweiler Bund Deutscher Landschaftsarchitekten
Landesverband Bayern e.V. Vorsitzende


Wolfram Vaitl Bayerischer Landesverband für Gartenbau und Landespflege
Präsident


Richard Mergner
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
Landesvorsitzender


Norbert Schäffer Landesbund für Vogelschutz
Landesvorsitzender


Martin Wagner,
Katholische Landvolkbewegung Bayern
Landesgeschäftsführer


Prof. Dr. Martin Hundhausen,
Sonnenenergie Erlangen e.V.
Vorstand


Josef Göppel, MdB aD
Deutscher Verband für Landschaftspflege,
Vorsitzender
Ehrenvorsitzender des CSU AK Umwelt
Der 6-Punkte-Plan für ein zukunftsfestes Bayern

Maria Stöckl
KLJB Katholische Landjugend Bayerns e. V.
Landesgeschäftsführerin


Sabine Groß


Michael Mößler
ELJ Evangelische Landjugend in Bayern
Landesvorstand (Zusage zum Redaktionsschluss noch offen)


Axel Doering
Alpenschutzkommission CIPRA Deutschland e.V.
Präsident


Dr. Klaus Lintzmeyer Verein zum Schutz der Bergwelt e.V. (VzSB)
Mitglied des Vorstands


Joachim Hamberger
Verein für Nachhaltigkeit e.V.
Vorstand


Prof. Dr. Markus Vogt Verein für Nachhaltigkeit e.V.
Lehrstuhl für Christliche Sozialethik Ludwig-Maximilians-Universität
Barbara Gabel-Cunningham
Energie- und Klima-Allianz Forchheim e.V.
1. Vorsitzende


Thomas Lang Katholische Landvolkshochschule / Ökologische Landakademie Feuerstein
Leiter