Lehre und Forschung
Forschungsschwerpunkte
Die folgenden Kernpunkte meines Konzeptes sind thematisch geordnet und besitzen zumeist einen Lehr- und Forschungsaspekt. Auch wenn die jeweiligen Schwerpunkte unterschiedlich gewichtet sind, so steht ein solches Vorgehen für eine grundsätzliche Einheit von Forschung und Lehre.
1. Wahrnehmungs- und Diagnosekompetenz in kommunikativen und religiösen
Bildungsprozessen fördern: ein Forschungs- und Lehrprojekt
Typische Präkonzepte, Fehlvorstellungen und Entwicklungsstufen von Schüler(inne)n sind in der Religionsdidaktik, z. B. mittels Fragebogen, halboffener Schüleraufsätze, immer wieder erhoben worden und auch in der theologischen Literatur anzutreffen. In Bezug auf den Gang Jesu auf dem Wasser könnten dies z.B. sein: „Das glaub ich nicht! Auf dem Wasser kann man nicht gehen!“, „Vielleicht waren Steine unter der Wasseroberfläche.“, „Vielleicht war das Wasser gefroren.“ In neuerer Zeit erfolgt dies teilweise auch mit Hilfe von Videoaufzeichnungen von Religionsunterrichtsstunden . Das so erlangte professionelle Wissen wird allerdings im professionellen Handeln von Lehrenden erst dann wirksam – das zeigen Ergebnisse der Lehrerprofessionsforschung – wenn die Lehrkräfte entsprechende Situationen im Unterricht theoriegeleitet wahrnehmen, analysieren und reflektieren können. Diese unterrichtsbezogene Analysekompetenz bildet die Voraussetzung für ein flexibles Reagieren auf Schüleräußerungen und gilt als Voraussetzung für eine lebenslange Weiterentwicklung von Unterricht. Die angesprochene Analysekompetenz ist nun aber keine abstrakte, sondern eine inhaltlich gefüllte, weshalb religionsdidaktisches und theologisches Fachwissen der einschlägigen Fächer miteinander zu verbinden sind. Für die Entwicklung von unterrichtsbezogener Analysekompetenz sind also im Sinne eines situierten Lernens (situated cognition) authentische Lern- und Anwendungssituationen vonnöten. Solche über Unterrichtsprotokolle und Videoaufzeichnungen bereitzustellen bildet den Forschungsaspekt dieses Schwerpunktes. Die Forschungsergebnisse selbst fließen dann in die Lehre ein, indem anhand authentischer Unterrichtssituationen, aber vom Handlungsdruck entlastet, Handlungsoptionen konkret von Studierenden in Lehrveranstaltungen religionsdidaktisch und theologisch reflektiert, überprüft, verfeinert und weiterentwickelt werden können. Kommunikativ erarbeitet werden hier sowohl Analysekompetenzen in der Lehrveranstaltung an der Universität, wie auch reale kommunikative Unterrichtssituationen empirisch fundiert erhoben und bewertet werden. Mit einem solchen Projekt kann ich auf ein von mir wissenschaftlich begleitetes Projekt zu Unterrichtsmitschnitten zum Sozialprojekt „Compassion“ von 2006 und meiner Mitarbeit im Forschungscluster „Lehrerprofessionalität“ des Zentralinstitutes für didaktische Forschung und Lehre der Universität Augsburg (vgl. z.B. meine Präsentation im Rahmen der Tagung am 24.01.2014) aufbauen. Anschlussfähig ist dieses empirische Projekt einmal für weitere Fachdidaktiken innerhalb des „Zentrums für Lehrerbildung“ an der Universität Mainz, denn es baut auf Erkenntnissen der allgemeinen Lehrerprofessionsforschung auf und spezifiziert diese für die Fachdidaktiken. Andererseits eröffnen sich aufgrund des sowohl an unterrichtlichen wie universitären Bildungsprozessen anschließenden Projektes Verbindungen innerhalb der Katholisch-Theologischen Fakultät zu all jenen theologischen Disziplinen, die an der empirisch kontrollierten Umsetzung von Fachinhalten in der Lehrerbildung interessiert sind. Von der Ausrichtung dürfte ein solches Projekt bei einer Antragungsstellung von Forschungsmitteln nicht ohne Chancen sein.
2. Kommunizieren, theologisieren und handeln in Gruppen
Ausgangspunkt für diesen Schwerpunkt ist meine von 1996 bis 2002 durchgeführte Ausbildung im Sozialtherapeutischen Rollenspiel am Adelheid-Stein-Institut für Sozialtherapeutisches Rollenspiel (asis). Diese von Frau Prof. Dr. Adelheid Stein an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München in über 30 Jahren entwickelte Methode des sogenannten Sozialtherapeutischen Rollenspiels (STR), wurde zuerst in der Sozialen Arbeit verbreitet. Die Grundidee ist: „nicht interpretieren, von eigenen Erlebnissen erzählen, Fantasie gebrauchen, bildhaftes Erfassen, assoziatives Vernetzen, Spielerisches Ausprobieren, überraschende Einfälle erlauben, Verknüpfungen mit der Realität bilden, Erkennen von Zusammenhängen, Kommunizieren in der Gruppe, Veränderung von Handlungen und Haltungen anbahnen.“ In meiner Dissertation rekonstruierte ich diese Methode, legte die Anknüpfungspunkte zu ähnlichen Vorgehensweisen offen und überführte das STR von einer Interventionsform der Sozialen Arbeit in die Theologie und in die Religionspädagogik. Das STR ist in schulischen wie außerschulischen Bildungsprozessen zielorientiert und kompetenzfördernd einsetzbar. In diesem organisierten ‚Spiel‘, das biblische, kirchengeschichtliche, dogmatische und das kirchliche Brauchtum betreffende Bezüge aufweisen kann, werden kommunikative Vermittlungs- und Aneignungsprozesse möglich, welche menschliche Lebenspraxis theologisch deutbar erscheinen lassen. Seit Jahren führe ich mit Hilfe des STR verschiedenste Lehrveranstaltungen (z. T. in Kooperation mit dem theologischen Mentorat der Diözese Augsburg und der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benediktbeuern) und Fortbildungen für Lehrkräfte unterschiedlicher Schularten für das Schulreferat der Diözese Augsburg und das Lehrerfortbildungsinstitut in Gars zu unterschiedlichen Themen (z. B. Spiritualität oder Bibel) durch. Diese Methode war ebenfalls Grundlage für eine Veranstaltung im Rahmen des ERASMUS-Lehrendenaustausches mit der Universität Graz (ao. Prof. Dr. Josef Pichler) im Jahre 2011. In einer Forschungswerkstatt mit Prof. Dr. Matthias Scharer am 22. September 2013 am Jugendpastoralinstitut in Benediktbeuern wurden Analogien zwischen STR und Themenzentrierter Interaktion (TZI) herausgearbeitet und die Eignung des STR als Methode für eine Kommunikative Theologie festgestellt. Damit erweitert diese Methode meine Ausarbeitungen zu einer „Kommunikation des Glaubens“ . Das zwischen rein profanem und heiligem Spiel angesiedelte STR enthält im Bereich der empirischen Erforschung von Spiel- und Wirkprozessen erhebliches Potenzial.
3. Interreligiöse und interkulturelle Bildungsprozesse wahrnehmen und gestalten
In einer globalisierten Welt geraten Bildungsprozesse unter Bedingungen der sozialen, kulturellen und religiösen Heterogenität. In solch einem Umfeld ist religiöse Vielfalt angemessen in den Blick zu nehmen und in Prozessen des Lehrens und Lernens zu berücksichtigen. Eine Möglichkeit scheint hier ein alienitätsorientierter Ansatz zu sein, der Wahrnehmung unter dem Vorzeichen von Emotionen für religiöse Bildungsprozesse fruchtbar macht. Fremden Menschen, Kulturen und Religionen kann man v. a. dann offen begegnen, wenn man sich selbst der Konstruktionsmechanismen der Wahrnehmung bewusst wird. Notwendig ist also die Ausarbeitung einer interreligiösen und interkulturellen Hermeneutik, welche emotionsbezogen die Heilsansprüche und das Heil der eigenen Religion und auch der fremden Religion an sich heranlässt, und zwar ohne die eigene Sichtweise zu relativieren. Der Alienitätsansatz kann so im Rahmen einer komparativen Theologie verortet und weiterentwickelt werden, wie ich es in Veröffentlichungen und auf Tagungen (z. B. an der Deutschen Evangelischen Oberschule in Kairo 2010 und am 29.03.2014 an der Katholischen Akademie in Schwerte auf dem von Prof. Dr. Klaus von Stosch, Prof. Dr. Rita Burricher und Prof. Dr. Georg Langenhorst ausgerichteten Kongress) durchführte und es weiterhin beabsichtige. Erst die Berücksichtigung elementarer, auch emotionaler, Prozesse kann interreligiösem Lernen Nachhaltigkeit verleihen. Dies auch empirisch zu verifizieren ist m. E. eine lohnende zukünftige Aufgabe der Forschung.
4. Theorie-Praxis-Relationierung
Die Vernetzung von Theorie und Praxis ist einerseits über die Verbindung von schulischer, hochschulischer und ausbildnerischer- bzw. weiterbildnerischer Praxen und andererseits über entsprechende, jeweils darauf bezogene handlungspraktische bzw. wissenschaftliche Theorien zu leisten, wie es bereits theoretisch ausgearbeitet wurde. Dieses hermeneutische Modell, das empirische Ergebnisse integriert, kann auf unterschiedlichste Art und Weise in der Praxis Wirklichkeit werden. Beispielhaft sei hier auf das von mir geleitete Reliforum Augsburg verwiesen (http://reliforumaugsburg.wordpress.com). Diese Lehr- und Fortbildungsveranstaltung in der Kooperation von Schule, Hochschule und Bischöflichem Schulreferat in Augsburg geht von folgender Ausgangssituation aus:
Religion ist in der pluralen Gesellschaft einem starken Wandel unterworfen, da sie einerseits Prozessen der Marginalisierung und Pluralisierung unterliegt, andererseits aber an Bedeutung gewinnt, beispielsweise in den Medien. Es scheint offensichtlich, dass die Weisen der Weitergabe von religiösem Wissen und entsprechenden Erfahrungen von einer Generation zur nächsten in unserer Zeit einer besonders starken Veränderung unterliegen. Wurden traditionell religiöses Wissen und individuelle Erfahrungen dadurch ergänzt, dass sie von Eltern, Verwandten oder anderen bedeutsamen Personen gelernt wurden, scheinen heute neue Wege immer wichtiger zu werden. Diese sich damit stellenden Aufgaben für den Religionsunterricht sind Ausgangspunkte meines Grundanliegens: Prozesse der Glaubenskommunikation neu zu vermessen und anzustoßen. Wege dazu sind die Entwicklung neuer Konzepte und das Ausloten innovativer Verortungen von Religion und religiösen Vollzügen, welche die beteiligten Personen innerhalb aller Phasen der Aus-, Fort- und Weiterbildung stärker aufeinander beziehen.
Das Reliforum Augsburg vernetzt Schule mit den drei (Aus-)Bildungsphasen von Studium, Vorbereitungsdienst und Fort-/Weiterbildung für den Bereich des katholischen Religionsunterrichts an staatlichen und kirchlichen Schulen. In Form von experimenteller Zusammenarbeit werden innovative religionspädagogische und religionsdidaktische Theorien, Modelle und Methoden gemeinsam von Studierenden, Lehrkräften im Vorbereitungsdienst und erfahrenen LehrerInnen erprobt und reflektiert. Die Zusammenarbeit von und mit erfahrenen LehrerInnen, UniversitätsdozentInnen, ReferentInnen der Schulabteilung des Bistums und AusbilderInnen der zweiten Phase dient der Entwicklung, Erprobung und Evaluation von religiöser Lehr- und Lernkompetenz.
Ziel ist die Integration von Theorie und Praxis durch gemeinsames und wechselseitiges Lernen sowie die Entfaltung, Reflexion und konzeptionelle Schärfung von religionspädagogischer Kompetenz:
• Studierende aller Schularten mit dem Berufsziel ReligionslehrerIn können hier in Kooperation mit erfahrenen KollegInnen die Entfaltung eines Theorie-Praxis-Bezugs kennen lernen und ansatzweise entwickeln.
• Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst können im Austausch mit Studierenden und erfahrenen Lehrpersonen ihre Ausbildung theoretisch reflektieren und praktisch ausdifferenzieren.
• Erfahrene Lehrpersonen können ihre beruflichen Erfahrungen in den Austausch mit Studierenden und Lehrkräften im Vorbereitungsdienst einbringen und neue religionspädagogische und religionsdidaktische Modelle und Anregungen kennen lernen, diskutieren und umsetzen.
• Lehrende aus Universität, Schulabteilung und Lehrerbildung können miteinander und im Austausch mit den drei Gruppierungen, innovative Konzepte, Prinzipien und medial-methodische Elemente ihres Feldes diskutieren und weiter entwickeln.
Die Resonanz auf die dreimal im Semester stattfindende Veranstaltung ist beachtlich. Die Inhalte wurden bereits als Veröffentlichung nachgefragt, weshalb eine solche in Planung ist. Das Reliforum Augsburg lässt sich sicher nicht einfach duplizieren, doch kann unter Berücksichtigung des Mainzer Kontextes vielleicht eine ähnliche Form einer übergreifenden Zusammenarbeit gelingen.
5. Ethnografisches Forschen in der Religionspädagogik
Beobachtung kann Unterschiedlichstes zu Tage fördern! Nicht nur die Kriterien für die Auswahl des Beobachteten, sondern besonders auch die Bewertung des Beobachteten ist dabei fraglich. Die dem Alltag entlehnte Vorgehensweise der Ethnografie ist für viele spannend, als Methode des wissenschaftlichen Forschens ist sie aber im Bereich der Religionspädagogik (noch) nicht verbreitet. Ein Grund dürften die vielen möglichen Fehlerquellen sein. Anders sieht es in der Pastoraltheologie und der Pädagogik aus. Soll ethnografisches Forschen in der Wissenschaft anerkannter werden, sind mögliche Gefahren sicher zu reduzieren, indem immer auch mit anderen Forschungsmethoden trianguliert wird. Eines ist aber gewiss: Vielen fruchtbaren Momenten in religiösen Bildungsprozessen wäre ich nie auf die Spur gekommen, hätte ich nicht ethnografisch geforscht!
6. Religionspädagogisches Lehren und Lernen anleiten und moderieren
Der große Umfang religionspädagogisch relevanten Wissens bedarf in der Vermittlung besonderer Fähigkeiten, damit Studierende sich die von den Curricula vorgesehenen und im späteren beruflichen Alltag notwendigen Kompetenzen aneignen können. Deshalb baute ich in all meinen Veranstaltungen auf die Elementarisierung. Im Rahmen meiner Gastprofessur im Sommersemester 2009 an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (Vorlesung: Religionspädagogisches Handeln in der Schule) und während des Freisemesters von Prof. Dr. Georg Langenhorst im Sommersemester 2010 an der Universität Augsburg (Vorlesung: Religiöses Lernen II) richteten sich die Hauptvorlesungen an Studierende aller Studiengänge (Diplomtheologie, mittlerweile Master Theologiae; Grund-, Haupt- bzw. Mittel- und Realschule, sowie Gymnasium). Innerhalb der Religionspädagogischen Zusatzausbildung für Studierende der Sozialen Arbeit lehrte ich sieben Jahre an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Benediktbeuern (Vorlesung: Religionspädagogisches und pastorales Handeln in Gemeinde und Schule) bis zur Schließung der Hochschule im Jahr 2013. In vielen universitären Veranstaltungen arbeitete ich mit Vertretern und Vertreterinnen verschiedener Fachrichtungen an unserer Augsburger Fakultät zusammen (Philosophie: PD. Dr. Manfred Negele; Altes Testament: Prof. Dr. Martin Mark, mittlerweile an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Luzern; Dogmatik: Dr. Ursula Lievenbrück; Fundamentaltheologie: apl. Prof. Dr. Dr. Katharina Ceming). Ferner kooperierte ich in der Lehre mit einigen außeruniversitären Institutionen (z. B. Theologisches Mentorat der Diözese Augsburg, Kindermissionswerk Sternsinger, Schulreferat der Diözese Augsburg, Franz-von-Assisi-Schule in Augsburg-Haunstetten). Inhaltliche Schwerpunkte reichten von biblischem und systematischem Lernen über Schöpfungslernen bis hin zu symbolischem und spielerischem Lernen, um nur einige wichtige Themen herauszugreifen. Mit diesen Erfahrungen im Gepäck, reizt es mich auch neue Themen in Angriff zu nehmen.